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Containern: Bayrische Oberste Landgericht bestätigt Schuldspruch
(München/Leipzig)
Das Oberste Bayrische Landesgericht bestätigt Diebstahl-Schuldspruch im sog. Container-Verfahren – Angeklagte erwägen Verfassungsklage.
In dem Container-Verfahren Fürstenfeldbruck, in dem den Angeklagten Caro und Franzi („Olchis containern“) vorgeworfen wurde weggeworfene Lebensmittel aus dem Abfall-Container eines Supermarktes entwendet zu haben, hat das Oberste Bayrische Landesgericht die Revision der Angeklagten verworfen und die Verurteilung durch das Amtsgericht Fürstenfeldbruck wegen Diebstahls bestätigt.
Die Angeklagten seien deswegen schuldig des Diebstahls, weil die Lebensmittel für sie juristisch fremd im Sinne des § 242 StGB gewesen, und eine Mitnahme zur weiteren Verwendung nicht gestattet gewesen sei; Die Lebensmittelabfälle seien dort ausschließlich mit dem Zweck der Zuführung zu der Vernichtung gelagert worden, sodass sich ein Eingriff von außen verbieten würde. Dies gelte insbesondere auch dann noch, wenn der Supermarkt für die Vernichtung von Lebensmittel Gebühren zahlen würde. Ein Verzichtswille, der zur Herrenlosigkeit der Sache führt, liegt aber dann nicht vor, wenn der Eigentümer das Eigentum nur zugunsten einer anderen Person (oder Organisation) aufgeben will (ebd). Damit setz das Oberste Bayrische Landesgericht weggeworfene Lebensmittel in Abfallcontainern juristisch gleich mit Kleiderspenden, oder Sperrmüllentsorgungen, die konkret einer weiteren Verwendung zugeführt werden sollen.
Die Verurteilung der Angeklagten stützte das Gericht im weiteren auf die Erwägung, dass die Sechskantöffnung am Abfallcontainer einer Einwilligung in die Mitnahme entgegenstünde, zumal ein solches Werkzeug in der Regel von Passanten oder sonstigen beliebigen Dritten nicht mitgeführt wird (ebd.).
Verfassungsrechtliche Erwägung, wie von der Verteidigung in den Revisionsverfahren vorgebracht nahm das Gericht nicht vor.
RA Max Malkus, Strafverteidiger in dem Verfahren:
„Das Oberste Bayrische Landesgericht hat zwar mit der juristisch herrschenden Meinung das Fortbestehen des Eigentums an wertlosen Lebensmitteln im Abfall-Container eines Supermarktes begründet. Mir erklärt sich aber nicht, mit welche Chuzpemeiner Mandantin mit der Verurteilung ein in besonderer Weise sozialschädliches und für das geordnete Zusammenleben unterträgliches Verhalten unterstellt wird. Die Verurteilung von zwei Personen wegen der Verletzung offensichtlich wertlosen Eigentumsrechtenan durch einen Supermarkt weggeworfenen Lebensmitteln ist absolut unverständlich angesichts der grassierenden täglich–weitergehenden Ressourcenvernichtung, gegen die auch jede Woche zehntausende unter großem Beifall der Politik auf die Straße gehen.“
Die Verteidigung hatte in der Revision vorgebracht, dass das bürgerliche Eigentum an den Lebensmitteln in dem Moment endet, wenn sie in einen Abfall-.Container befüllt werden, und darüber hinaus aufgeführt, dass auch der Umwelt- und Tierschutz, Art. 20 a des Grundgesetzes neben den verfassungsrechtlichen Verpflichtungen aus dem Eigentum bei der strafrechtlichen Bewertung der Handlung berücksichtigt werden müssen. Die Angeklagten erwägen nun, zusammen mit ihren RechtsanwältInnen (Susanne Keller, Augsburg, Max Malkus, Leipzig) und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) die Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Wege einer Verfassungsklage vorzulegen, nachdem der Bundesrat in seiner Sitzung am 11.10.2019 eine Initiative zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung im Einzelhandel ohne Aussprache abgelehnt hat.

Pressemitteilung: Rechtsmittel im Strafprozess wegen #Containern eingelegt
(Leipzig/Fürstenfeldbruck – 07.02.19).
In dem Strafverfahren wegen der Entnahme von entsorgten Lebensmitteln aus dem Abfallcontainer eines Supermarktes in Olching legte die Verteidigung am Mittwoch Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 30.01.2019 ein. Das Amtsgericht entschied in der ersten Instanz, dass die Entnahme entsorgter Lebensmittel aus dem Abfallcontainer eines Supermarktes ein Diebstahl sei und verwarnte die beiden Angeklagten deshalb. Eine Strafe sprach das Gericht nicht aus. In der mündlichen Urteilsbegründung ging das Gericht davon aus, dass weggeworfene Lebensmittel in dem Abfallcontainer eines Supermarktes zwar wertlos seien, aber als Eigentum gestohlen werden können. Die Verteidigung vertrat hingegen die Auffassung, dass die entsorgten Äpfel, Birnen und Joghurtbecher als juristisch derelinquiert anzusehen seien (§959 BGB), und sich bei den im Müllcontainer befindlichen Lebensmitteln kein ehemaliger Besitzer als Eigentümer geschädigt sehen könne – sie beantragte Freispruch. Der Hausfrieden war zu keiner Zeit gestört, weil der Abfallcontainer nicht umzäunt, sondern auf dem Gelände zugänglich war. Darüber hinaus gab der Supermarkt an, dass keine Schäden entstanden seien, und für die Entsorgung der Lebensmittel gewöhnlich bezahlt werde.
„Das Urteil stößt in soweit auf Unverständnis, als dass es hier immer noch um bereits weggeworfene Lebensmittel geht, die gestohlen sein sollen, zum einen stand der Abfallcontainer auf einem frei zugänglichen Gelände, und zum anderen entstehen der hier vermeintlich Geschädigten sogar Kosten in Form der Müllbeseitigung, wenn sie noch gut genießbare Lebensmittel wegwirft“, kommentiert der Verteidiger Malkus die Entscheidung.
Die Verteidigung beruft sich in diesem Fall auch auf die Wertung des Grundgesetzes in Art. 20a Grundgesetz: Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung, und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. „Eigentum verpflichtet auch nach unserer Verfassung, das Urteil hätte nach Ansicht vieler in diesem Fall Freispruch lauten müssen. Die tägliche Verschwendung von Lebensmitteln, der Aufruf der Regierung zu Ressourcenschutz (#zugutfürdietonne) und die Verurteilung meiner Mandantin wegen gemeinschaftlichen Diebstahls an entsorgten Lebensmitteln sind zutiefst widersprüchlich. Natürlich ist da auch der Gesetzgeber gefragt, Abhilfe zu schaffen, wir gehen im Moment davon aus, dass in mindestens fünf weiteren Fällen Staatsanwaltschaften Personen vorwerfen entsorgte Lebensmittel aus dem Abfallcontainer eines Supermarktes gestohlen zu haben. Die Einlegung von Rechtsmitteln ist hingegen ein üblicher Vorgang, und hemmt zunächst die Rechtskraft der ausgesprochenen Verwarnung,“ so Malkus weiter.
→Weitere Informationen auf dem Blog der Angeklagten: www.olchiscontainern1.blogsport.de

Presseinformation: Prozesstermin im „Container-Prozess Olching“ anberaumt
Angeklagte sprechen am 19.01.2019 bei „Supp‘n Talk“ in Berlin
(Olching/Fürstenfeldbruck/Leipzig/Berlin) Die beiden Studentinnen, die in der Nacht vom
04.06.2018 von der Polizei am Edeka-Supermarkt in Olching mit weggeworfenen Lebensmitteln
aufgegriffen wurden, sind wegen schweren Diebstahls angeklagt. Die Hauptverhandlung ist für den
30.01.2019, 14 Uhr am Amtsgericht Fürstenfeldbruck anberaumt. Im Rahmen der Kampagne „wir
haben es satt“ sprechen die Angeklagten im Supp‘n Talk am 19.01.2019 um 17:50 Uhr in Berlin.
Ein Vorgang, der für viele Menschen nicht nachvollziehbar ist – und auch juristisch höchst
problematisch erscheint: Die Staatsanwaltschaft München II beschuldigt zwei Studentinnen
gemeinschaftlich fremde Sachen einem anderen weggenommen zu haben, indem sie die von einem
Supermarkt weggeworfene Lebensmittel aus dessen Abfallcontainer entnommen haben sollen,
strafbar laut Staatsanwaltschaft als Diebstahl in einem besonders schweren Fall. Dabei geht die
Staatsanwaltschaft München II davon aus, dass es keinen Unterschied macht, ob Lebensmittel im
Supermarkt zum Verkauf angeboten werden, oder ob sie in einem Abfallcontainer weggeschmissen
wurden.
Der Sachverhalt sorgte für überregionales Aufsehen, als die beiden Studentinnen erklärten, dass sie
mit einer Bestrafung nicht einverstanden sind. Anstatt das Verfahren in der Folge einzustellen, wird
nun am 30.01.2019 die Hauptverhandlung durchgeführt. Zur Debatte steht, ob Menschen angesichts
der schier maßlosen Verschwendung von Lebensmitteln strafrechtlich verurteilt werden müssen,
wenn sie noch genießbare Lebensmittel vor der (sinnlosen) Vernichtung retten.
Rechtsanwalt Max Malkus, Verteidiger einer der beiden Angeklagten:
„Es ist höchst fraglich, ob weggeworfene Lebensmittel noch ein diebstahlfähiges Gut darstellen.
Die Frage wird seit Jahren auf verschiedenen Ebenen diskutiert und überwiegend verneint. Der
strafrechtliche Schutz des Eigentums besteht nur dann, wenn juristisch Eigentum vorhanden ist. In
der Regel kann davon ausgegangen werden, dass eine Person ihr Eigentum an einem Gegenstand
aufgibt, wenn dieser in einen Abfallcontainer geworfen wird. Das „Retten von noch genießbaren
Lebensmitteln“, auch „Containern“ genannt, wird täglich zigfach in Deutschland praktiziert, ohne
dass es in den meisten Fällen zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt. Und das ist
auch richtig so.“Gerade die Lobbyverbände der Abfallindustrie stellen sich aber auf den Standpunkt, dass jeder
Gegenstand in einem Mülleimer nur dort aufbewahrt wird, um ihn bei Abholung dem
Abfallentsorger zu übergeben. Hieran entzündet sich Kritik.
Rechtsanwalt Malkus:
„Diese Sichtweise ist nicht nur mit den allgemeinen gesellschaftlichen Wertungen kaum vereinbar –
sie unterstellt auch, dass Müll – unabhängig von der rechtlich geregelten Verantwortlichkeit die
fachgerechte Entsorgung im Einzelfall sicher zu stellen – in die Kategorie des strafrechtlich
geschützten bürgerlichen Eigentums fällt. Damit macht es keinen Unterschied, ob jemand eine
Birne aus dem Müll oder eine teure Luxusuhr aus dem Regal an sich nimmt.“
Dieser Wertungswiderspruch tritt bei Lebensmitteln insbesondere dann zu Tage, wenn man sich vor
Augen führt, dass sich auch die Bundesregierung seit Jahren mit Kampagnen gegen die ausufernde
Lebensmittelverschwendung wendet und Nachbarstaaten wie Frankreich, oder Anfang dieses Jahres
Tschechien, den Supermärkten verbietet Lebensmittel wegzuwerfen.
Rechtsanwalt Malkus:
Leider sind konkrete Gesetzesinitiativen wie in Frankreich (Relative a la lutte contre la gaspillage
alimentair) oder Tschechien, das Anfang 2019 den meisten Supermärkten verboten hat noch
genießbare Lebensmittel wegzuwerfen, bisher ausgeblieben, stattdessen verfolgen
Staatsanwaltschaften wie jetzt die Staatsanwaltschaft München II, vereinzelt Menschen, denen wir
eigentlich dankbar sein müssten.“
Im Fall der beiden Olchingerinnen entscheidet sich am Mittwoch den 30.01.2019 im Amtsgericht
Fürstenfeldbruck, ob sie für etwas bestraft werden, wofür die Bundesregierung seit Jahren mit der
Kampange „Zu gut für die Tonne“ wirbt.
Zuvor, am Samstag den 19.01.2019, werden die beiden Studentinnen im Rahmen der Kampagne
„wir haben es satt“ bei einem Talk der Böll-Stiftung um 17: 50 Uhr ihre Geschichte vorstellen und
mit Interessierten über den Sachverhalt und die Lebensmittelverschwendung in Deutschland
diskutieren.
→Weitere Informationen auf dem Blog der Angeklagten: www.olchiscontainern.wordpress.com

Änderungen: Neue Regeln ab September und Oktober 2017
Zum ersten Oktober und teilweise schon im September treten die traditionellen letzten Gesetze in Kraft, also jene, welche von dem letzten Bundestag in seiner letzten Legislatur in den letzten Sitzungstagen „noch schnell“ verabschiedet wurden. Darunter fällt auch die sog. „Ehe für Alle“.
#Hasskriminalität
Ab dem 01.10.2017 tritt das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) in Kraft.
Das Bundesjustizministerium meint dazu: [Quelle]
Das Gesetz zielt darauf, Hasskriminalität, strafbare Falschnachrichten und andere strafbare Inhalte in sozialen Netzwerken besser zu bekämpfen. Erfasst werden Inhalte, die auch nach jetzigem Recht strafbar sind. Dazu zählen etwa Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung und Bedrohung. Auch Kinderpornographie und terroristische Straftaten gehören dazu.
Netzpolitik.org hat den Referentenentwurf im März kritisch analysiert:
„… Würde der Entwurf Gesetz werden, macht man die betroffenen Netzwerke ohne vorhergehende richterliche Überprüfung zu Ermittler, Richter und Henker über die Meinungsfreiheit. Nutzer könnten sich nur noch im Nachhinein gerichtlich gegen eine Löschung ihrer Inhalte wehren. Dass sich die Nutzer prinzipiell gegen Löschentscheidungen wehren können ist gut, doch eine zeitliche Verschiebung bis zum Gerichtstermin kann dazu führen, dass ein Inhalt dann nicht mehr relevant ist.
Gleichzeitig würde das Gesetz zu einer Ausweitung automatischer und gefährlicher Zensurmechanismen führen …“
[Ausführliche Quelle: https://netzpolitik.org/2017/analyse-so-gefaehrlich-ist-das-neue-hate-speech-gesetz-fuer-die-meinungsfreiheit/
#Kennzeichungspflicht für Drohnen
Ab dem 01.10.2017 müssen Besitzer von Drohnen (= idR ferngesteuertes unbemanntes Luftfahrtzeug) mit über 250 Gramm Gewicht diese mit einer feuerfesten Plakette kennzeichnen. Wer eine Drohne über 2 Kilogramm steuert muss hierfür ab sofort einen Kenntnisnachweis vorlegen. Wer eine Drohne über 5 KG fliegt muss laut „Verordnung zur Regelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten“ ab sofort zunächst eine Erlaubnis hierfür haben. Außerdem ist das Fliegen über Polizei/Feuerwehreinsätzen, bestimmten Verkehrswegen. Auch darf in der Regel nicht mehr über 100 Metern geflogen werden. Das Fliegen über Wohngrundstücken ist – ohne Genehmigung des Rechteinhabers – ab sofort verboten !
Das Bundesjustizministerium erklärt ausführlich: Klare Regeln für den Betrieb von Drohnen.
# Veränderte Strafprozessordnung: Anwesenheitsrecht des Verteidigers bei polizeilichen Vernehmungen; Online-Durchsuchungen und Quellen-TKÜ
Bereits seit dem 05.09.2017 sind die Rechte des Beschuldigten im strafrechtlichen Untersuchungsverfahren durch Änderungen in der Strafprozessordung / StPO gestärkt worden. So hat der Verteidiger / die Verteidigerin nunmehr auch an polizeilichen Vernehmungen ein ausdrückliches Anwesenheitsrecht. Die diversen Neuregelungen im Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens wie die Einführung der Quellen-TKÜ/Staatstrojaner (§ 100a), die Einführung der sog. Online-Durchsuchung (§ 100b StPO) sind bereits ausführlich in den Medien und der Fachpresse disskutiert worden. Zur Pflicht der Zeugen nun u.U. auch zu der polizeilichen Vernehmung zu erscheinen habe ich schon mal hier hingewiesen. Zu den Gesetzesänderungen gibt der Kollege Burhoffauf seinem Blog eine gute Übersicht.
Weiter interessante Änderungen*
#“Ehe für Alle“ – Gleichgeschlechtliche Paare können nun Ehe schließen und sind nicht mehr daran gehalten eine Lebenspartnerschaft einzugehen
#Mindestlohn für Angestellte bei Geld- und Wertdiensten – Angestellte in diesem Sektor haben rückwirkend zum 01.03.2017 Anspruch auf den Branchenmindestlohn.
#Quoten in der Zuckerindie abgeschaft – Ab sofort ist auch die Zuckerindustrie voll in der Marktwirtschaft, die bisher bestehenden Produktionsquoten, durch die EU festgelegt, sind, begrüßt von der Bundesregierung abgeschafft.
*Selbstverständlich werden hier nicht alle Gesetzesänderungen zum 01.10.2017 erwähnt.