Polizeigewahrsam und Präventivhaft – Was Betroffene wissen sollten
Als Rechtsanwaltskanzlei in Leipzig vertreten wir regelmäßig Betroffene im Falle einer polizeilichen Ingewahrsamnahme. Der Polizeigewahrsam stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der Person dar und unterliegt daher strengen gesetzlichen Voraussetzungen.
Rechtliche Grundlage des Polizeigewahrsams
In Sachsen richtet sich der Polizeigewahrsam nach § 22 des Sächsischen Polizeigesetzes (SächsPolG). Demnach kann eine Person in Gewahrsam genommen werden, wenn:
eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit verhindert oder eine bereits eingetretene beseitigt werden soll,
dies zum Schutz der Person selbst erforderlich ist,
die Identität auf andere Weise nicht festgestellt werden kann,
ein Platzverweis, Aufenthaltsverbot oder eine Wohnungsverweisung durchgesetzt werden muss.
Den vollständigen Gesetzestext finden Sie hier: § 22 Sächsisches Polizeigesetz
Schutzmechanismen bei der Ingewahrsamnahme
Wer von einer polizeilichen Ingewahrsamnahme betroffen ist, genießt umfassende Schutzrechte:
Unverzügliche Belehrung über Grund und Rechtsbehelf: Die Polizei muss die festgehaltene Person unmittelbar nach der Ingewahrsamnahme über den konkreten Anlass und die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten der Anfechtung informieren.
Recht auf Benachrichtigung eines Anwalts oder einer Vertrauensperson: Betroffene haben das Recht, eine Person ihres Vertrauens oder einen Rechtsanwalt über die Ingewahrsamnahme zu informieren. Ist die Person dazu selbst nicht in der Lage, übernimmt die Polizei die Benachrichtigung.
Richterliche Entscheidungspflicht innerhalb kurzer Zeit: Die Polizei muss unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeiführen. Ohne eine solche Entscheidung darf der Gewahrsam grundsätzlich nicht über das Ende des folgenden Tages hinaus andauern.
Maximale Gewahrsamsdauer: Ist der Gewahrsam auf die Abwehr einer erheblichen Gefahr gerichtet, darf er nach richterlicher Bestätigung maximal zwei Wochen betragen. In anderen Fällen, etwa zur Identitätsfeststellung, ist eine Höchstdauer von drei Tagen vorgesehen.
Spezielle Formen des Polizeigewahrsams
Schutzgewahrsam
Schutz einer Person, die sich in hilfloser Lage befindet oder Suizidgefahr besteht.
Verhinderungs- und Unterbindungsgewahrsam
Abwehr konkret bevorstehender erheblicher Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten.
Zuführungsgewahrsam
Rückführung von Minderjährigen in die Obhut der Sorgeberechtigten.
Gewahrsam zur Durchsetzung eines Platzverweises
Bei Weigerung, einem ausgesprochenen Platzverweis Folge zu leisten und Unerlässlichkeit zur weiteren Durchsetzung .
Verbringungsgewahrsam
Betroffene werden nach einem Platzverweis an einen entfernten Ort verbracht, um die Rückkehr zu verhindern.
Rückführungsgewahrsam
Entwichene Strafgefangene oder Untersuchungshäftlinge werden in die Anstalt zurückgebracht.
Zuständigkeit der Bundespolizei
Bei Sachverhalten auf Bahnanlagen, Flughäfen oder Grenzgebieten findet das Bundespolizeigesetz (BPolG) Anwendung. Auch hier gelten ähnliche Voraussetzungen für die Ingewahrsamnahme gemäß § 39 BPolG.
Exkurs: Präventivhaft
Die Präventivhaft (Art. 5 Abs. 1 lit. c EMRK) zielt auf die Verhinderung konkret bevorstehender, klar bestimmbarer Straftaten ab. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Fall Ostendorf ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 15598/08) muss die Präventivhaft verhältnismäßig, insbesondere Anlassbezogen sein und darf nicht zu einer allgemeinen Vorbeugehaft ausarten. Eine richterliche Entscheidung muss zeitnah erfolgen.
Verhalten im Falle einer Ingewahrsamnahme
Sollten Sie von einer Ingewahrsamnahme betroffen sein, ist es wichtig, richtig zu reagieren:
Ruhe bewahren: Bleiben Sie ruhig und vermeiden Sie provokatives Verhalten. Aufregung oder Widerstand kann die Situation verschärfen und möglicherweise strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte stellt eine Straftat dar. Selbst wenn Sie die Maßnahme für unrechtmäßig halten, ist ein körperliches wehren in der Regel für Sie nachteilhaft. Zur aktiven Mitwirkung sind Sie jedoch auch nicht verpflichtet.
Auf einen Rechtsanwalt bestehen: Verlangen Sie frühzeitig den Kontakt zu einem Rechtsanwalt. Als Rechtsanwalt für Polizeigewahrsam in Leipzig können wir Ihre Rechte wahren und die Rechtmäßigkeit der Maßnahme überprüfen.
Keine Aussagen zur Sache ohne anwaltliche Beratung: Machen Sie keine Angaben zur Sache. Sie sind nur verpflichtet, Angaben zu Ihrer Person zu machen (Name, Geburtsdatum, Adresse). Alles Weitere sollten Sie erst nach Rücksprache mit Ihrem Anwalt äußern.
Ihre Anwaltskanzlei in Leipzig – Strafverteidigung wenn es darauf ankommt
Als Rechtsanwaltskanzlei in Leipzig vertreten wir Ihre Interessen bei Polizeigewahrsam, Präventivhaft und anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen. Zögern Sie nicht, uns frühzeitig zu kontaktieren – wir stehen an Ihrer Seite.
Disclaimer: Dieser Artikel ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Für eine persönliche Beratung kontaktieren Sie bitte unsere Kanzlei.