Angeklagte sprechen am 19.01.2019 bei „Supp‘n Talk“ in Berlin
(Olching/Fürstenfeldbruck/Leipzig/Berlin) Die beiden Studentinnen, die in der Nacht vom
04.06.2018 von der Polizei am Edeka-Supermarkt in Olching mit weggeworfenen Lebensmitteln
aufgegriffen wurden, sind wegen schweren Diebstahls angeklagt. Die Hauptverhandlung ist für den
30.01.2019, 14 Uhr am Amtsgericht Fürstenfeldbruck anberaumt. Im Rahmen der Kampagne „wir
haben es satt“ sprechen die Angeklagten im Supp‘n Talk am 19.01.2019 um 17:50 Uhr in Berlin.
Ein Vorgang, der für viele Menschen nicht nachvollziehbar ist – und auch juristisch höchst
problematisch erscheint: Die Staatsanwaltschaft München II beschuldigt zwei Studentinnen
gemeinschaftlich fremde Sachen einem anderen weggenommen zu haben, indem sie die von einem
Supermarkt weggeworfene Lebensmittel aus dessen Abfallcontainer entnommen haben sollen,
strafbar laut Staatsanwaltschaft als Diebstahl in einem besonders schweren Fall. Dabei geht die
Staatsanwaltschaft München II davon aus, dass es keinen Unterschied macht, ob Lebensmittel im
Supermarkt zum Verkauf angeboten werden, oder ob sie in einem Abfallcontainer weggeschmissen
wurden.
Der Sachverhalt sorgte für überregionales Aufsehen, als die beiden Studentinnen erklärten, dass sie
mit einer Bestrafung nicht einverstanden sind. Anstatt das Verfahren in der Folge einzustellen, wird
nun am 30.01.2019 die Hauptverhandlung durchgeführt. Zur Debatte steht, ob Menschen angesichts
der schier maßlosen Verschwendung von Lebensmitteln strafrechtlich verurteilt werden müssen,
wenn sie noch genießbare Lebensmittel vor der (sinnlosen) Vernichtung retten.
Rechtsanwalt Max Malkus, Verteidiger einer der beiden Angeklagten:
„Es ist höchst fraglich, ob weggeworfene Lebensmittel noch ein diebstahlfähiges Gut darstellen.
Die Frage wird seit Jahren auf verschiedenen Ebenen diskutiert und überwiegend verneint. Der
strafrechtliche Schutz des Eigentums besteht nur dann, wenn juristisch Eigentum vorhanden ist. In
der Regel kann davon ausgegangen werden, dass eine Person ihr Eigentum an einem Gegenstand
aufgibt, wenn dieser in einen Abfallcontainer geworfen wird. Das „Retten von noch genießbaren
Lebensmitteln“, auch „Containern“ genannt, wird täglich zigfach in Deutschland praktiziert, ohne
dass es in den meisten Fällen zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt. Und das ist
auch richtig so.“Gerade die Lobbyverbände der Abfallindustrie stellen sich aber auf den Standpunkt, dass jeder
Gegenstand in einem Mülleimer nur dort aufbewahrt wird, um ihn bei Abholung dem
Abfallentsorger zu übergeben. Hieran entzündet sich Kritik.
Rechtsanwalt Malkus:
„Diese Sichtweise ist nicht nur mit den allgemeinen gesellschaftlichen Wertungen kaum vereinbar –
sie unterstellt auch, dass Müll – unabhängig von der rechtlich geregelten Verantwortlichkeit die
fachgerechte Entsorgung im Einzelfall sicher zu stellen – in die Kategorie des strafrechtlich
geschützten bürgerlichen Eigentums fällt. Damit macht es keinen Unterschied, ob jemand eine
Birne aus dem Müll oder eine teure Luxusuhr aus dem Regal an sich nimmt.“
Dieser Wertungswiderspruch tritt bei Lebensmitteln insbesondere dann zu Tage, wenn man sich vor
Augen führt, dass sich auch die Bundesregierung seit Jahren mit Kampagnen gegen die ausufernde
Lebensmittelverschwendung wendet und Nachbarstaaten wie Frankreich, oder Anfang dieses Jahres
Tschechien, den Supermärkten verbietet Lebensmittel wegzuwerfen.
Rechtsanwalt Malkus:
Leider sind konkrete Gesetzesinitiativen wie in Frankreich (Relative a la lutte contre la gaspillage
alimentair) oder Tschechien, das Anfang 2019 den meisten Supermärkten verboten hat noch
genießbare Lebensmittel wegzuwerfen, bisher ausgeblieben, stattdessen verfolgen
Staatsanwaltschaften wie jetzt die Staatsanwaltschaft München II, vereinzelt Menschen, denen wir
eigentlich dankbar sein müssten.“
Im Fall der beiden Olchingerinnen entscheidet sich am Mittwoch den 30.01.2019 im Amtsgericht
Fürstenfeldbruck, ob sie für etwas bestraft werden, wofür die Bundesregierung seit Jahren mit der
Kampange „Zu gut für die Tonne“ wirbt.
Zuvor, am Samstag den 19.01.2019, werden die beiden Studentinnen im Rahmen der Kampagne
„wir haben es satt“ bei einem Talk der Böll-Stiftung um 17: 50 Uhr ihre Geschichte vorstellen und
mit Interessierten über den Sachverhalt und die Lebensmittelverschwendung in Deutschland
diskutieren.
→Weitere Informationen auf dem Blog der Angeklagten: www.olchiscontainern.wordpress.com