Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) – ein Überblick für juristisch Interessierte und Betroffene
Ob auf der Straße, beim Feiern oder sogar im beruflichen Umfeld: Körperliche Auseinandersetzungen eskalieren manchmal schneller, als einem lieb ist. Was vielen nicht bewusst ist: Bereits eine einzelne Ohrfeige oder ein Stoß kann strafrechtlich nicht nur als einfache Körperverletzung, sondern – unter bestimmten Umständen – als gefährliche Körperverletzung nach§ 224 StGB gewertet werden. Die Folge: deutlich höhere Strafen und häufig ein Strafverfahren vor dem Landgericht.
Was ist eine gefährliche Körperverletzung?
Die gefährliche Körperverletzung ist eine Qualifikation der einfachen Körperverletzung (§ 223 StGB). Sie liegt vor, wenn die Tat durch bestimmte besonders gefährliche Mittel oder Vorgehensweisen begangen wird. Das Gesetz nennt fünf Varianten:
Nr. 1: durch Beibringung gesundheitsschädlicher Stoffe
Nr. 2: mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs
Nr. 3: durch einen hinterlistigen Überfall
Nr. 4: durch gemeinschaftliches Handeln mit einem Beteiligten
Nr. 5: durch eine das Leben gefährdende Behandlung
Schon das Vorliegen einer dieser Varianten reicht aus, um die Körperverletzung als „gefährlich“ im Sinne des Strafgesetzbuches einzuordnen.
Wann gilt ein Gegenstand als gefährliches Werkzeug?
Das häufigste Problem in der Praxis betrifft Nr. 2 – das gefährliche Werkzeug. Darunter fällt jeder Gegenstand, der nach Art und Einsatzweise geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen.
Ein Taschenmesser oder eine zerbrochene Glasflasche sind typische Beispiele. Aber auch Alltagsgegenstände wie Gürtel, Stiefel mit harter Sohle oder sogar ein Stuhlbein können als gefährliches Werkzeug gelten – abhängig vom Einsatz.
Der BGH stellte hierzu klar:
„Entscheidend ist, ob der Gegenstand in der konkreten Art seiner Benutzung geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen“ (BGH, Urteil vom 4.9.1996 – 2 StR 320/96, NStZ-RR 1997, 67).
Was bedeutet „gemeinschaftlich“?
Nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB genügt es, wenn der Täter gemeinsam mit einem anderen Beteiligten handelt. Dabei ist nicht erforderlich, dass beide Personen aktiv zuschlagen – es reicht, wenn eine eingeschüchterte Gegenwehr beim Opfer entsteht.
Der Bundesgerichtshof hat betont:
„Gemeinschaftlich handelt auch, wer die Tat mit einem anderen Beteiligten begeht, unabhängig davon, ob dieser Mittäter, Anstifter oder Gehilfe ist“ (BGH, Urteil vom 3.9.2002 – 5 StR 210/02, BGHSt 47, 383, 386).
Selbst das bloße Dabeistehen kann ausreichen – wenn dem Opfer dadurch eine Flucht oder Verteidigung erschwert wird.
Hinterlistiger Überfall – wann liegt er vor?
Ein „Überfall“ ist ein überraschender Angriff – „hinterlistig“ wird er, wenn der Täter seine wahre Absicht gezielt verbirgt, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Der BGH beschreibt diese Variante so:
„Hinterlistig handelt, wer seine Angriffsabsicht planvoll verbirgt, um dem Opfer die Abwehr zu erschweren“ (BGH, Urteil vom 15.07.2003 – 1 StR 249/03, NStZ 2004, 93).
Beispiel: Der Täter gibt sich zunächst friedlich, um dann plötzlich zuzuschlagen. Nicht ausreichend ist bloßes „Anschleichen“ oder ein Überraschungsmoment ohne Täuschung.
Lebensgefährdende Behandlung – eine hohe Schwelle
Besonders schwerwiegend ist die Nr. 5: die das Leben gefährdende Behandlung. Erfasst sind Handlungen, die nach ihrer Art geeignet sind, das Opfer in akute Lebensgefahr zu bringen.
Dazu zählen etwa:
Würgen mit Atemstillstand
Stiche in den Oberkörper
massives Treten gegen den Kopf
Der BGH formuliert hierzu:
„Die Tathandlung muss nach den Umständen des Einzelfalles geeignet sein, das Leben des Opfers konkret zu gefährden“ (BGH, Beschluss vom 12.01.2010 – 4 StR 555/09, NStZ 2010, 510).
Das bloße Verletzungsbild reicht also nicht – die Gefährlichkeit der Handlung muss klar erkennbar sein.
Welche Strafen drohen?
Die gefährliche Körperverletzung ist ein Verbrechenstatbestand mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. In besonders gelagerten Fällen kann das Gericht von einem minder schweren Fall ausgehen (§ 224 Abs. 2 StGB), dann liegt die Strafe bei drei Monaten bis fünf Jahren.
Entscheidend für die Strafzumessung sind: die eingesetzten Mittel, die Verletzungsfolgen, das Verhalten nach der Tat, mögliche Vorstrafen
Frühe Beratung kann entscheidend sein
Gerade im Bereich der gefährlichen Körperverletzung ist die juristische Bewertung komplex – und wird oft unterschätzt. Bereits durch das falsche Wort im Ermittlungsverfahren kann sich die eigene Situation erheblich verschlechtern In der Praxis ist oft entscheidend, ob es sich um einen minderschweren Fall handelt (unter Mindeststrafe).
Wer mit einem Strafverfahren nach § 224 StGB konfrontiert ist – ob als Beschuldigter oder Geschädigter –, sollte frühzeitig anwaltlichen Rat suchen.
Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle Beratung. Jeder Fall ist anders – und die richtige Verteidigungsstrategie hängt von zahlreichen Faktoren ab.
📍 Rechtsanwalt Max Malkus,
buero.malkus- Rechtsanwaltskanzlei in Leipzig | www.malkus.lawyer