Ermittlungsanordnung im Rahmen eines EU-Verfahrens – Was Betroffene und Angehörige jetzt wissen sollten
In grenzüberschreitenden Strafverfahren innerhalb der EU kommt es zunehmend vor, dass Personen in Deutschland – etwa in Leipzig oder Umgebung – durch eine Ermittlungsanordnung mit einem Verfahren im Ausland konfrontiert werden, ohne dass sie sich dort je aufgehalten haben. Oft erfahren Betroffene oder ihre Familienangehörigen von einer solchen Maßnahme erst durch eine Vorladung, Durchsuchung oder eine richterlich angeordnete Anhörung in Haft. Die Europäische Ermittlungsanordnung (EEA) ist ein zentrales Instrument der grenzüberschreitenden Strafverfolgung innerhalb der Europäischen Union. Sie ermöglicht es Justizbehörden eines EU-Mitgliedstaates, Ermittlungsmaßnahmen in einem anderen Mitgliedstaat anzuordnen, um Beweise in Strafverfahren zu erlangen.
Was ist eine Europäische Ermittlungsanordnung (EEA)?
Die Europäische Ermittlungsanordnung ist ein Instrument der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Sie ersetzt weitgehend frühere Formen der Rechtshilfe, wie etwa die europäische Beweisanforderung oder das klassische Rechtshilfeersuchen.
Rechtsgrundlagen
Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen
§§ 91 ff. IRG (Internationale Rechtshilfe in Strafsachen), konkret umgesetzt durch das deutsche Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie zur Europäischen Ermittlungsanordnung
Das Ziel: Eine zuständige Strafverfolgungsbehörde in einem EU-Staat kann deutsche Behörden anweisen, bestimmte Ermittlungen durchzuführen – z. B. die Vernehmung eines Beschuldigten, die Sicherstellung von Beweismitteln oder die richterliche Anhörung.
Was kann die EEA für Betroffene bedeuten?
Ein deutsches Gericht kann auf Antrag einer ausländischen Behörde u. a. anordnen:
Die Vernehmung eines Beschuldigten oder Zeugen
Die Durchsuchung von Wohnräumen
Die Sicherstellung oder Beschlagnahme von Gegenständen
Die Zustellung ausländischer Ladungen oder Urteile
Die Einvernahme in Haft, ggf. mit Dolmetscher
Besonders problematisch: Die Maßnahme wird nach deutschem Recht vollzogen, bezieht sich aber oft auf ein ausländisches Strafverfahren, zu dem dem Betroffenen anfänglich kaum Informationen vorliegen.
Rechte der Betroffenen – und wie wir Sie konkret unterstützen
Ein Ermittlungsverfahren – zumal mit Auslandsbezug – ist keine Formsache. Die Risiken sind erheblich, und Betroffene können sich allein nur schwer effektiv verteidigen.
Als Verteidiger stehen wir Ihnen zur Seite:
Antrag auf Akteneinsicht – um überhaupt zu erfahren, worum es geht
Begleitung zu Anhörungen und Vernehmungen
Rechtsbeistand bei Durchsuchungen oder Beschlagnahmen
Koordination mit Justizvollzugsanstalten bei Anhörungen in Haft
Einbindung von Dolmetschern und Wahrung Ihrer Sprachrechte
Anträge auf Terminverlegung, wenn keine faire Vorbereitung möglich ist
Beistand für Angehörige – insbesondere zur Klärung von Fristen, Haftgründen und Verfahrensstand
Kooperation mit ausländischen Kollegen, sofern das Ursprungsverfahren weitergeführt wird
Antrag auf Pflichtverteidigerbeiordnung, wenn die Voraussetzungen vorliegen (z. B. bei Untersuchungshaft, Komplexität oder Sprachbarrieren)
Pflichtverteidigung – wer trägt die Kosten?
In schwerwiegenden Fällen, bei drohender oder vollzogener Untersuchungshaft oder wenn der Fall rechtlich besonders komplex ist, kann der Betroffene einen Anspruch auf einen Pflichtverteidiger haben. In solchen Fällen übernimmt die Staatskasse die Kosten der Verteidigung.
Wichtig: Dies gilt nicht automatisch. Wir prüfen, ob eine Beiordnung nach § 140 StPO möglich ist – und beantragen diese bei Gericht, sobald die Voraussetzungen gegeben sind. In anderen Fällen beraten wir Sie auch zur privaten Beauftragung der Verteidigung, transparent und situationsbezogen.
Was Angehörige tun können
Viele Mandate beginnen mit einem Anruf von Ehepartnern, Kindern oder Eltern – weil der Betroffene selbst in Haft ist oder mit den Umständen überfordert. Auch für Angehörige bieten wir:
Erste Einschätzung der Lage
Koordination der Abläufe zwischen Behörden und Justizvollzugsanstalten, ggf. Vorführungen im Ausland.
Terminvereinbarung zur persönlichen oder telefonischen Beratung
Organisation von Dolmetschern, Übersetzungen, Dokumentenzustellung
Unterstützung bei der Einleitung einer Verteidigung im Ausland und Anzeige gegenüber dem ausländischen Gericht
Rechtzeitig verteidigen – bevor Tatsachen geschaffen werden
Die Europäische Ermittlungsanordnung ist kein bürokratischer Vorgang, sondern oft mit tiefgreifenden Eingriffen in die Rechte des Betroffenen verbunden. Ohne Akteneinsicht, Verteidigung und anwaltlichen Beistand drohen schwerwiegende Nachteile – auch dann, wenn die Sache zunächst „nicht so schlimm“ wirkt.
Als Kanzlei in Leipzig mit Erfahrung im internationalen Rechtshilfeverkehr stehen wir Ihnen und Ihren Angehörigen zuverlässig zur Seite – mit klarem Blick für das Verfahren, die Praxis und Ihre Rechte.