Freispruch in Leipzig: Ist die FFP2-Maske eine Vermummung? Ein Urteil unter neuer Rechtslage sorgt für Aufsehen
Freispruch in Leipzig: Ist die FFP2-Maske eine Vermummung? Ein Urteil unter neuer Rechtslage sorgt für Aufsehen
Am 23. September verkündete das Amtsgericht Leipzig (Az.: 251 Cs 647 Js 77439/23 jug) einen Freispruch, der im Kontext der jüngsten Reform des sächsischen Versammlungsrechts viel Aufmerksamkeit erregt. Es ging um eine Frage, die weit über den Einzelfall hinausreicht: Ist das Tragen einer FFP2-Maske bei einer Demonstration als Vermummung zu werten? Dabei spielten auch die jüngst geänderten gesetzlichen Vorgaben eine zentrale Rolle. Bemerkenswert ist zudem, dass sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung den Freispruch beantragten. Das Urteil ist derzeit noch nicht rechtskräftig.
Hintergrund: FFP2-Maske als Zankapfel
Der Angeklagten wurde zur Last gelegt, am 20. Februar 2023 während einer öffentlichen Versammlung in Eilenburg eine FFP2-Maske sowie eine Wollmütze getragen zu haben. Die Staatsanwaltschaft warf ihr zunächst vor, durch diese Aufmachung ihre Identität bewusst verschleiert zu haben – und damit gegen das damals geltende Vermummungsverbot gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 2 des alten Sächsischen Versammlungsgesetzes (SächsVersG a.F.) verstoßen zu haben. Das Gesetz verbot damals das Tragen von Aufmachungen, die die Identifizierung der Teilnehmenden erschwerten oder verhinderten, wenn dies in dieser Absicht geschah.
Aber ist eine FFP2-Maske wirklich eine „Vermummung“ im Sinne des Versammlungsgesetzes? Diese Frage spaltet die Gemüter. Während die Maske zur Corona-Zeit zum Alltag gehörte und eher als Schutzmittel denn als Identitätsverhüllung verstanden wurde, sah die Polizei im vorliegenden Fall eine andere Intention: Die Angeklagte habe ihre Maske gezielt genutzt, um eine Identifizierung zu erschweren.
Geänderte Rechtslage seit September 2024: Was hat sich geändert?
Am 1. September 2024 trat eine grundlegende Reform des sächsischen Versammlungsrechts in Kraft. Während nach der alten Gesetzeslage jede Art der Vermummung unmittelbar strafbar war, bedarf es nun einer vorherigen behördlichen Anordnung zur Durchsetzung des Vermummungsverbots, um eine Strafbarkeit nach § 24 Abs. 2 Nr. 4 SächsVersG (n.F.) zu begründen. Die Anordnung muss klar festlegen, welche Gegenstände verboten sind. Fehlt diese, kann auch kein strafrechtlicher Verstoß vorliegen – so wie im vorliegenden Fall.
Das Amtsgericht Leipzig stellte fest: Es gab keine solche Anordnung. Das Tragen der FFP2-Maske an jenem Winterabend allein erfüllte somit nach neuer Rechtslage nicht die Voraussetzungen für eine strafbare Handlung. Selbst wenn die Maske theoretisch geeignet gewesen wäre, die Identität zu verschleiern, fehlte der entscheidende formelle Schritt durch die Behörde, um eine Strafbarkeit zu begründen. „Milderes Recht“ im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB – und damit maßgeblich für den Ausgang des Verfahrens.
Die FFP2-Maske: Schutz oder Versteck?
Die Verteidigung argumentierte, dass die FFP2-Maske in erster Linie ein Schutz vor den winterlichen Temperaturen und vor Anstreckung gewesen sei. Auch in der Öffentlichkeit, insbesondere bei Versammlungen, wurde das Tragen von Masken noch im Jahr 2023 häufig als gesundheitliche Vorsichtsmaßnahme akzeptiert. Eine gezielte Identitätsverschleierung sei nicht die Absicht der Angeklagten gewesen. Diese Sichtweise gewann zusätzlich an Gewicht durch die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft selbst keinen Verstoß gegen das aktuelle Recht mehr sah. Auch die Staatsanwaltschaft Leipzig beantragte am 23.09.24 den Freispruch für die Angeklagte.
Das Gericht folgte dieser Argumentation und wies darauf hin, dass es ohne eine behördliche Anordnung, die etwaige Masken als problematisch einstuft, an der nötigen Grundlage für eine strafrechtliche Verfolgung fehle. Der bloße Umstand, dass eine Person eine Maske trägt, reicht demnach nicht aus, um eine „Vermummung“ im Sinne des neuen Gesetzes anzunehmen.
Ein Urteil mit Signalwirkung
Das Urteil, obwohl noch nicht rechtskräftig, sendet ein starkes Signal: Die Zeiten, in denen jede Gesichtsverhüllung bei einer Versammlung als strafbare Vermummung galt, sind in Sachsen vorbei. Die Reform des Versammlungsgesetzes gibt der individuellen Freiheit im Rahmen öffentlicher Kundgebungen wieder mehr Raum – und gleichzeitig klare Grenzen: Nur wenn die Behörden konkret Anordnungen erlassen, kann ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Wichtiger Hinweis für Leser:innen:
Dieser Beitrag ist keine Rechtsberatung. Sollten Sie in einer vergleichbaren Situation rechtlichen Beistand benötigen oder Fragen zum Strafrecht oder Versammlungsrecht haben, wenden Sie sich gerne direkt an uns.