Containern
Schriftliche Stellungnahme im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages – Containern von Lebensmitteln entkriminalisieren –
Am Donnerstag, den 10.12.2020 beziehen wir im Rechtsausschus des Bundestags bei der öffentlichen Anhörung zum #Containern Stellung für die Entkriminalisierung.
„Gestohlen werden können nur fremde bewegliche Sachen. Ein Gegenstand, der also nicht im
Eigentum eines anderen steht, also herrenlos im Sinne des § 959 BGB ist, kann infolgedessen nicht
gestohlen werden. Nach umstrittener, aber herrschender juristischer Meinung, schützt § 242 StGB
die formale Rechtsposition des Eigentums, es kommt soweit nicht auf den materiellen oder
immateriellen Wert der Sache an. Nach vordrängender Ansicht soll aber ein Diebstahl
auszuschließen sein, wenn dem Tatobjekt weder ein materieller noch immaterieller Wert
zukommt, hier wird unter Anderem aufgeführt, dass die Zerstörung eines wertlosen Gegenstandes
auch keine Sachbeschädigung darstellt. Folglich könnte bereits deswegen der Diebstahl von
containerten Lebensmitteln ausscheiden, soweit wie im Fall der Studentinnen „Caro und Franzi“
festgestellt wurde, dass sich hier wirtschaftlich wertlose Tatobjekte zugeeignet wurden, was
gleichwohl sowohl vom Bundesverfassungsgericht17 als auch den Instanzgerichten mit der
herrschenden juristischen Meinung in diesem Fall nicht angenommen wurde. Unbestritten stehen
die Lebensmittel in Lebensmittelmärkten zunächst sowohl nach formeller als auch nach
wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Eigentum des Marktes bzw. des Inhabers des Marktes.
Mithin ist fraglich, wie das Wegwerfen der Lebensmittel in einen Entsorgungscontainer, also die
Abfallbeseitigung sachenrechtlich zu bewerten ist. Jedenfalls ist festzustellen, dass das
Kreislaufwirtschaftsgesetz kein Verbot der Eigentumsaufgabe statuiert und auch bei einer
anzunehmenden Eigentumsaufgabe die Beseitigungspflicht des Vorbesitzers nicht entfallen
würde.“
Die schriftliche Stellungnahme von Rechtsanwalt Max Malkus finden Sie hier: https://www.bundestag.de/resource/blob/812084/f89205215522eefb3d802c45d1b17631/malkus-data.pdf
Bundesverfassungsgericht bestätigt Sozialstunden für Caro & Franzi im Container-Verfahren wegen Lebensmitteldiebstahl
Entscheidung im Container-Verfahren (2 BvR 1985/19)
Bundesverfassungsgericht bestätigt
Sozialstunden für Caro & Franzi im Container-Verfahren wegen Lebensmitteldiebstahl
(„Olchis Containern“)
[München/Leipzig/Karlsruhe/Berlin – 18.08.2020]
Wie das Bundesverfassungsgericht am heutigen Dienstag in Karlsruhe mitteilte, bleibt der Schuldausspruch gegen Caro & Franzi wegen Diebstahls, an durch einen Supermarkt entsorgte Lebensmittel, aufrecht erhalten. Die beiden damaligen Studentinnen wurden vom Amtsgericht Fürstenfeldbruck wegen der Wegnahme weggeworfener Lebensmittel aus einem verschlossenen Supermarktcontainer in Olching in einem öffentlichkeitswirksamen Verfahren zur Ableistung von jeweils 8 Sozialstunden verurteilt. Die Staatsanwaltschaft München II hatte zuvor Anklage wegen eines besonders schweren Fall des Diebstahls erhoben.
Der Fall erreichte eine größere Öffentlichkeit durch eine durch die Angeklagten initiierte Unterschriften-Kampagne an der sich – Stand heute – über 160.000 Menschen in Deutschland beteiligten und die Entkriminalisierung des Containers und ein Wegwerfverbot genießbarer Lebensmittel für den Einzelhandel fordern (https://weact.campact.de/petitions/containern-ist-kein-verbrechen-1). Die beiden jungen Frauen nutzten die Öffentlichkeit, die ihnen durch den Strafvorwurf zuteil wurde um auf Probleme der Verteilungsgerechtigkeit, dem klimaschonenden Umgang mit Ressourcen und der rigiden Strafverfolgung bei Bagatelldelikten aufmerksam zu machen.
Das Bundesverfassungsgericht stellt soweit fest, „Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den Bereich strafbaren Handelns verbindlich festzulegen. Das Bundesverfassungsgericht kann diese Entscheidung nicht darauf prüfen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Es wacht lediglich darüber, dass die Strafvorschrift materiell in Einklang mit der Verfassung steht. Der Gesetzgeber, der bisher Initiativen zur Entkriminalisierung des Containerns nicht aufgegriffen hat, ist insofern frei, das zivilrechtliche Eigentum auch in Fällen der wirtschaftlichen Wertlosigkeit der Sache mit Mitteln des Strafrechts zu schützen. Im vorliegenden Fall dient die Strafbarkeit des Verhaltens der Beschwerdeführerinnen dem Schutz des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 Abs. 1 GG als Rechtsgut von Verfassungsrang“.
„Unsere Mandantinnen sind bis heute der Überzeug nicht unmoralisch gehandelt haben. Wir sind mit unserem Versuch gescheitert, wirklich notwendige Veränderung, insbesondere mit einer Wertung für nachhaltigen Ressourcenschutz über die Auslegung alter Gesetzte herbeizuführen, die das abstrakte zivilrechtliche Eigentum immer noch ohne echte Sozialbindung den vorderen Rang einräumen“, kommentiert Max Malkus, Rechtsanwalt einer der Verurteilten die Entscheidung.
„Die Entscheidung macht deutlich, dass wir die richtigen Fragen gestellt haben, aber es die Aufgabe des gewählten Gesetzgebers ist, die aus der Gesellschaft geforderten Veränderungen umzusetzen. Ich bin stolz, dass Caro und Franzi, die den Mut und den persönlichen Einsatz bewiesen haben, ihren Fall öffentlich zu machen und damit auf das Problem der unvorstellbar großen Lebensmittelverschwendung auch in Deutschland aufmerksam zu machen“, so Rechtsanwalt Malkus weiter.
Abfallvermeidung und der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung werden als mit die effektivste Methode gegen die Klimaverwerfungen der Zukunft bezeichnet. Trotz des gemeinsamen Ziels der EU- Staaten die Vernichtung genießbarer Lebensmittel um 50% zu reduzieren, sind in Deutschland gesetzgeberische Initiativen, anders als in den Nachbarstaaten Tschechien, Frankreich und Österreich bisher ausgeblieben. Rechtsanwalt Malkus: „Ich hoffe, dass die vielen Heldinnen des Alltags, die durch das Containern einen kleinen, aber sehr wichtigen Beitrag in der Klimadiskussion für uns alle leisten, nicht von der Politik hängen gelassen werden, und jetzt endlich solide Vorschläge auf den Tisch kommen, wie wir den Unsinn – 21 Mio. Tonnen genießbare Lebensmittel einfach in die Tonne zu werfen, Einhalt gebieten und eine überdimensionierte Strafverfolgung im Bagatell-Bereich vermeiden können.“
Pressemitteilung
Rechtsanwalt Max Malkus
www.malkus.lawyer
18-08-2020
[Bitte beachten Sie unsere neue Adresse ab dem 1. Oktober 2020:
Arthur-Hoffmann-Straße 74 in 04107 Leipzig]
Unsere Kanzlei im MDR Fernsehen: Beitrag #Containern „Mach mal…!“ Goes Green
Der Beitrag, in dem auch unser Rechtsanwalt Max Malkus – vor der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht – zu der Rechtslage in Sachen Containern befragt wurde, ist in der Sendung von ca. Min 2 – 9 zu sehen ; Das ökologische Engagement der MDR-Azubis in diesem Projekt und den guten Beitrag im Ganzen möchten wir an dieser Stelle auch hervorheben und auf ihn verweisen:
(…)Wie trägt „containern“ zu einem bewussteren Konsum bei – und welche Risiken sind damit verbunden? Macht die Entwicklung alternativer Antriebe beim E-Auto halt? Können PKWs auch von Fahrrädern oder Lastenrädern ersetzt werden? Gelten fernab der Großstadt noch dieselben Regeln für umweltfreundliche Mobilität? Was heißt es, im ländlichen Raum vom eigenen Auto auf den ÖPNV umzusteigen? Wie verändert sich das Bild unserer Landschaften durch unseren wachsenden Energie- und Rohstoffbedarf? (…)
+++
„Mach mal…!“ Goes Green
Klimawandel, fridaysforfuture, Umweltschutz – nur für den Moment hat die Corona-Virus-Pandemie diese Themen scheinbar verdrängt. Aber nicht für alle!
Containern: Bayrische Oberste Landgericht bestätigt Schuldspruch
(München/Leipzig)
Das Oberste Bayrische Landesgericht bestätigt Diebstahl-Schuldspruch im sog. Container-Verfahren – Angeklagte erwägen Verfassungsklage.
In dem Container-Verfahren Fürstenfeldbruck, in dem den Angeklagten Caro und Franzi („Olchis containern“) vorgeworfen wurde weggeworfene Lebensmittel aus dem Abfall-Container eines Supermarktes entwendet zu haben, hat das Oberste Bayrische Landesgericht die Revision der Angeklagten verworfen und die Verurteilung durch das Amtsgericht Fürstenfeldbruck wegen Diebstahls bestätigt.
Die Angeklagten seien deswegen schuldig des Diebstahls, weil die Lebensmittel für sie juristisch fremd im Sinne des § 242 StGB gewesen, und eine Mitnahme zur weiteren Verwendung nicht gestattet gewesen sei; Die Lebensmittelabfälle seien dort ausschließlich mit dem Zweck der Zuführung zu der Vernichtung gelagert worden, sodass sich ein Eingriff von außen verbieten würde. Dies gelte insbesondere auch dann noch, wenn der Supermarkt für die Vernichtung von Lebensmittel Gebühren zahlen würde. Ein Verzichtswille, der zur Herrenlosigkeit der Sache führt, liegt aber dann nicht vor, wenn der Eigentümer das Eigentum nur zugunsten einer anderen Person (oder Organisation) aufgeben will (ebd). Damit setz das Oberste Bayrische Landesgericht weggeworfene Lebensmittel in Abfallcontainern juristisch gleich mit Kleiderspenden, oder Sperrmüllentsorgungen, die konkret einer weiteren Verwendung zugeführt werden sollen.
Die Verurteilung der Angeklagten stützte das Gericht im weiteren auf die Erwägung, dass die Sechskantöffnung am Abfallcontainer einer Einwilligung in die Mitnahme entgegenstünde, zumal ein solches Werkzeug in der Regel von Passanten oder sonstigen beliebigen Dritten nicht mitgeführt wird (ebd.).
Verfassungsrechtliche Erwägung, wie von der Verteidigung in den Revisionsverfahren vorgebracht nahm das Gericht nicht vor.
RA Max Malkus, Strafverteidiger in dem Verfahren:
„Das Oberste Bayrische Landesgericht hat zwar mit der juristisch herrschenden Meinung das Fortbestehen des Eigentums an wertlosen Lebensmitteln im Abfall-Container eines Supermarktes begründet. Mir erklärt sich aber nicht, mit welche Chuzpemeiner Mandantin mit der Verurteilung ein in besonderer Weise sozialschädliches und für das geordnete Zusammenleben unterträgliches Verhalten unterstellt wird. Die Verurteilung von zwei Personen wegen der Verletzung offensichtlich wertlosen Eigentumsrechtenan durch einen Supermarkt weggeworfenen Lebensmitteln ist absolut unverständlich angesichts der grassierenden täglich–weitergehenden Ressourcenvernichtung, gegen die auch jede Woche zehntausende unter großem Beifall der Politik auf die Straße gehen.“
Die Verteidigung hatte in der Revision vorgebracht, dass das bürgerliche Eigentum an den Lebensmitteln in dem Moment endet, wenn sie in einen Abfall-.Container befüllt werden, und darüber hinaus aufgeführt, dass auch der Umwelt- und Tierschutz, Art. 20 a des Grundgesetzes neben den verfassungsrechtlichen Verpflichtungen aus dem Eigentum bei der strafrechtlichen Bewertung der Handlung berücksichtigt werden müssen. Die Angeklagten erwägen nun, zusammen mit ihren RechtsanwältInnen (Susanne Keller, Augsburg, Max Malkus, Leipzig) und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) die Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Wege einer Verfassungsklage vorzulegen, nachdem der Bundesrat in seiner Sitzung am 11.10.2019 eine Initiative zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung im Einzelhandel ohne Aussprache abgelehnt hat.
Pressemitteilung: Rechtsmittel im Strafprozess wegen #Containern eingelegt
(Leipzig/Fürstenfeldbruck – 07.02.19).
In dem Strafverfahren wegen der Entnahme von entsorgten Lebensmitteln aus dem Abfallcontainer eines Supermarktes in Olching legte die Verteidigung am Mittwoch Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck vom 30.01.2019 ein. Das Amtsgericht entschied in der ersten Instanz, dass die Entnahme entsorgter Lebensmittel aus dem Abfallcontainer eines Supermarktes ein Diebstahl sei und verwarnte die beiden Angeklagten deshalb. Eine Strafe sprach das Gericht nicht aus. In der mündlichen Urteilsbegründung ging das Gericht davon aus, dass weggeworfene Lebensmittel in dem Abfallcontainer eines Supermarktes zwar wertlos seien, aber als Eigentum gestohlen werden können. Die Verteidigung vertrat hingegen die Auffassung, dass die entsorgten Äpfel, Birnen und Joghurtbecher als juristisch derelinquiert anzusehen seien (§959 BGB), und sich bei den im Müllcontainer befindlichen Lebensmitteln kein ehemaliger Besitzer als Eigentümer geschädigt sehen könne – sie beantragte Freispruch. Der Hausfrieden war zu keiner Zeit gestört, weil der Abfallcontainer nicht umzäunt, sondern auf dem Gelände zugänglich war. Darüber hinaus gab der Supermarkt an, dass keine Schäden entstanden seien, und für die Entsorgung der Lebensmittel gewöhnlich bezahlt werde.
„Das Urteil stößt in soweit auf Unverständnis, als dass es hier immer noch um bereits weggeworfene Lebensmittel geht, die gestohlen sein sollen, zum einen stand der Abfallcontainer auf einem frei zugänglichen Gelände, und zum anderen entstehen der hier vermeintlich Geschädigten sogar Kosten in Form der Müllbeseitigung, wenn sie noch gut genießbare Lebensmittel wegwirft“, kommentiert der Verteidiger Malkus die Entscheidung.
Die Verteidigung beruft sich in diesem Fall auch auf die Wertung des Grundgesetzes in Art. 20a Grundgesetz: Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung, und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. „Eigentum verpflichtet auch nach unserer Verfassung, das Urteil hätte nach Ansicht vieler in diesem Fall Freispruch lauten müssen. Die tägliche Verschwendung von Lebensmitteln, der Aufruf der Regierung zu Ressourcenschutz (#zugutfürdietonne) und die Verurteilung meiner Mandantin wegen gemeinschaftlichen Diebstahls an entsorgten Lebensmitteln sind zutiefst widersprüchlich. Natürlich ist da auch der Gesetzgeber gefragt, Abhilfe zu schaffen, wir gehen im Moment davon aus, dass in mindestens fünf weiteren Fällen Staatsanwaltschaften Personen vorwerfen entsorgte Lebensmittel aus dem Abfallcontainer eines Supermarktes gestohlen zu haben. Die Einlegung von Rechtsmitteln ist hingegen ein üblicher Vorgang, und hemmt zunächst die Rechtskraft der ausgesprochenen Verwarnung,“ so Malkus weiter.
→Weitere Informationen auf dem Blog der Angeklagten: www.olchiscontainern1.blogsport.de
Presseinformation: Prozesstermin im „Container-Prozess Olching“ anberaumt
Angeklagte sprechen am 19.01.2019 bei „Supp‘n Talk“ in Berlin
(Olching/Fürstenfeldbruck/Leipzig/Berlin) Die beiden Studentinnen, die in der Nacht vom
04.06.2018 von der Polizei am Edeka-Supermarkt in Olching mit weggeworfenen Lebensmitteln
aufgegriffen wurden, sind wegen schweren Diebstahls angeklagt. Die Hauptverhandlung ist für den
30.01.2019, 14 Uhr am Amtsgericht Fürstenfeldbruck anberaumt. Im Rahmen der Kampagne „wir
haben es satt“ sprechen die Angeklagten im Supp‘n Talk am 19.01.2019 um 17:50 Uhr in Berlin.
Ein Vorgang, der für viele Menschen nicht nachvollziehbar ist – und auch juristisch höchst
problematisch erscheint: Die Staatsanwaltschaft München II beschuldigt zwei Studentinnen
gemeinschaftlich fremde Sachen einem anderen weggenommen zu haben, indem sie die von einem
Supermarkt weggeworfene Lebensmittel aus dessen Abfallcontainer entnommen haben sollen,
strafbar laut Staatsanwaltschaft als Diebstahl in einem besonders schweren Fall. Dabei geht die
Staatsanwaltschaft München II davon aus, dass es keinen Unterschied macht, ob Lebensmittel im
Supermarkt zum Verkauf angeboten werden, oder ob sie in einem Abfallcontainer weggeschmissen
wurden.
Der Sachverhalt sorgte für überregionales Aufsehen, als die beiden Studentinnen erklärten, dass sie
mit einer Bestrafung nicht einverstanden sind. Anstatt das Verfahren in der Folge einzustellen, wird
nun am 30.01.2019 die Hauptverhandlung durchgeführt. Zur Debatte steht, ob Menschen angesichts
der schier maßlosen Verschwendung von Lebensmitteln strafrechtlich verurteilt werden müssen,
wenn sie noch genießbare Lebensmittel vor der (sinnlosen) Vernichtung retten.
Rechtsanwalt Max Malkus, Verteidiger einer der beiden Angeklagten:
„Es ist höchst fraglich, ob weggeworfene Lebensmittel noch ein diebstahlfähiges Gut darstellen.
Die Frage wird seit Jahren auf verschiedenen Ebenen diskutiert und überwiegend verneint. Der
strafrechtliche Schutz des Eigentums besteht nur dann, wenn juristisch Eigentum vorhanden ist. In
der Regel kann davon ausgegangen werden, dass eine Person ihr Eigentum an einem Gegenstand
aufgibt, wenn dieser in einen Abfallcontainer geworfen wird. Das „Retten von noch genießbaren
Lebensmitteln“, auch „Containern“ genannt, wird täglich zigfach in Deutschland praktiziert, ohne
dass es in den meisten Fällen zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt. Und das ist
auch richtig so.“Gerade die Lobbyverbände der Abfallindustrie stellen sich aber auf den Standpunkt, dass jeder
Gegenstand in einem Mülleimer nur dort aufbewahrt wird, um ihn bei Abholung dem
Abfallentsorger zu übergeben. Hieran entzündet sich Kritik.
Rechtsanwalt Malkus:
„Diese Sichtweise ist nicht nur mit den allgemeinen gesellschaftlichen Wertungen kaum vereinbar –
sie unterstellt auch, dass Müll – unabhängig von der rechtlich geregelten Verantwortlichkeit die
fachgerechte Entsorgung im Einzelfall sicher zu stellen – in die Kategorie des strafrechtlich
geschützten bürgerlichen Eigentums fällt. Damit macht es keinen Unterschied, ob jemand eine
Birne aus dem Müll oder eine teure Luxusuhr aus dem Regal an sich nimmt.“
Dieser Wertungswiderspruch tritt bei Lebensmitteln insbesondere dann zu Tage, wenn man sich vor
Augen führt, dass sich auch die Bundesregierung seit Jahren mit Kampagnen gegen die ausufernde
Lebensmittelverschwendung wendet und Nachbarstaaten wie Frankreich, oder Anfang dieses Jahres
Tschechien, den Supermärkten verbietet Lebensmittel wegzuwerfen.
Rechtsanwalt Malkus:
Leider sind konkrete Gesetzesinitiativen wie in Frankreich (Relative a la lutte contre la gaspillage
alimentair) oder Tschechien, das Anfang 2019 den meisten Supermärkten verboten hat noch
genießbare Lebensmittel wegzuwerfen, bisher ausgeblieben, stattdessen verfolgen
Staatsanwaltschaften wie jetzt die Staatsanwaltschaft München II, vereinzelt Menschen, denen wir
eigentlich dankbar sein müssten.“
Im Fall der beiden Olchingerinnen entscheidet sich am Mittwoch den 30.01.2019 im Amtsgericht
Fürstenfeldbruck, ob sie für etwas bestraft werden, wofür die Bundesregierung seit Jahren mit der
Kampange „Zu gut für die Tonne“ wirbt.
Zuvor, am Samstag den 19.01.2019, werden die beiden Studentinnen im Rahmen der Kampagne
„wir haben es satt“ bei einem Talk der Böll-Stiftung um 17: 50 Uhr ihre Geschichte vorstellen und
mit Interessierten über den Sachverhalt und die Lebensmittelverschwendung in Deutschland
diskutieren.
→Weitere Informationen auf dem Blog der Angeklagten: www.olchiscontainern.wordpress.com